Der Angeklagte Ralf H. hinter seinem Verteidiger Martin Kohlmann im Sitzungssaal des Münchner Amtsgerichts
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Der Angeklagte Ralf H. hinter seinem Verteidiger Martin Kohlmann im Sitzungssaal des Münchner Amtsgerichts

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Späte Verurteilung für Falschaussage im NSU-Prozess

Fast sechs Jahre nach dem Ende des NSU-Prozesses hat das Verfahren die bayerische Justiz noch einmal beschäftigt. Das Amtsgericht München hat heute einen 49-Jährigen wegen Falschaussage im NSU-Prozess zu neun Monaten auf Bewährung verurteilt.

Der Angeklagte Ralf H. war um die Jahrtausendwende Teil der Neonaziszene in Chemnitz – wo das NSU-Kerntrio 1998 bei seiner Flucht vor der Polizei untertauchte. Mithilfe seines Personalausweises mieteten die Neonazi-Terroristen Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt vor rund 25 Jahren eine konspirative Wohnung an und bestellten diverse Artikel bei Versandhäusern. Den Ausweis von Ralf H. fanden Ermittler nach der Selbstenttarnung des NSU im Brandschutt des von Beate Zschäpe angezündeten Hauses in der Zwickauer Frühlingsstraße.

Personalausweis angeblich in Kneipe verloren

Ralf H. musste sich heute vor dem Münchner Amtsgericht jedoch nicht wegen Unterstützung einer Terrororganisation verantworten, sondern nur wegen uneidlicher Falschaussage. Er hatte bei seiner Zeugenvernehmung im NSU-Prozess im November 2014 angegeben, dass er seinen Personalausweis den NSU-Terroristen nicht absichtlich zur Verfügung gestellt habe. Vielmehr habe er sein Portemonnaie im Suff vermutlich in einer Chemnitzer Kneipe verloren. Das sah die Münchner Staatsanwaltschaft als Lüge an und klagte ihn an. Der Angeklagte habe seinen Personalausweis 1998 oder 1999 bewusst an ein unbekanntes Mitglied der Chemnitzer Neonaziszene weitergegeben.

Urteil erst zehn Jahre nach der Tat

Warum es wiederum fast zehn Jahre gedauert hat, bis dem 49-Jährigen endlich der Prozess gemacht wurde, das thematisierte das Amtsgericht heute nicht. Das Verfahren selbst dauerte auch nur anderthalb Stunden. Im Rahmen eines Deals zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung ließ der Angeklagte über seinen Verteidiger, den Chemnitzer Szeneanwalt Martin Kohlmann, die Falschaussage in wenigen Worten einräumen. Weitere Angaben machte er nicht. Die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft forderte für die uneidliche Falschaussage eine Bewährungsstrafe von 12 Monaten. Sie betonte in ihrem Plädoyer, dass sich der Angeklagte ja ausgerechnet im NSU-Prozess zu einer Falschaussage entschieden hatte. Die Aufklärung dort sei aber gerade für die Betroffenen des Terrors von hoher Bedeutung gewesen.

Mildes Urteil dank Deal zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung

Richter Kai Dingerdissen blieb mit einer Bewährungsstrafe von neun Monaten schließlich im unteren Teil des möglichen Strafrahmens. Allen Beteiligten sei durch das Geständnis des Angeklagten "ein längeres, unangenehmes Verfahren" erspart geblieben. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Ralf H. ist einer der wenigen Zeugen aus der extrem rechten Szene, die sich wegen Falschaussage im NSU-Prozess verantworten mussten. Nach Einschätzung vieler Beobachter hatten in dem fünfjährigen Verfahren vor dem Oberlandessgericht in München zahlreiche Neonazi-Zeugen offensichtlich gelogen, ohne dass sie dafür mit Konsequenzen rechnen mussten.

Beitrag zum Hören: Doku-Zentrum zum NSU nimmt Form an

Bemalte Kacheln und ein Blumenkasten am Gedenkort für das NSU-Opfer Ismail Yasar.
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Schüler der Scharrerschule haben den Gedenkort für Ismail Yasar gestaltet. Er wurde 2005 in seinem Imbiss-Stand gegenüber der Schule erschossen.

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