Der libanesische Ministerpräsident Nadschib Mikati (M), empfängt den zypriotischen Präsidenten Nikos Christodoulidis (l), und die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen im Regierungspalast.
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Libanons Ministerpräsident Mikati, empfängt den zypriotischen Präsidenten Christodoulidis, und die Präsidentin der EU-Kommission von der Leyen.

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Der nächste Flüchtlingsdeal: EU-Milliarden für Libanon

Brüssel sagt dem Libanon Unterstützung zu und hofft, dass dadurch weniger Migranten übers Mittelmeer in die EU kommen. Im Gegenzug für eine Milliarde Euro zählt die EU auf den Kooperationswillen im Libanon – beim Grenzschutz und der Rückführung.

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Die Insel Zypern ist rund 200 Kilometer vom Libanon entfernt. In den vergangenen drei Monaten sind rund 4.000 Flüchtlinge aus dem Libanon mit Booten übers Mittelmeer nach Zypern gekommen. Im Vorjahr waren es im gleichen Zeitraum 78. Das EU-Land Zypern fühlt sich überfordert. Auf Drängen der zyprischen Regierung hat die EU-Kommission deshalb dem Libanon Finanzhilfe in Aussicht gestellt, mit dem Ziel, illegale Migration zu bekämpfen. Antworten auf wichtige Fragen:

Wie viel zahlt Brüssel wofür?

Die EU verspricht dem Libanon insgesamt eine Milliarde Euro an Zuschüssen bis 2027, die nicht zurückgezahlt werden müssen. Davon sind 736 Millionen Euro dafür gedacht, dem Land bei der Unterbringung von Flüchtlingen aus dem Nachbarland Syrien zu helfen. Weitere 264 Millionen Euro stellt die EU im Rahmen ihres Nachbarschafts-Instruments (NDICI) bereit, um die libanesischen Sicherheitskräfte zu unterstützen.

Infolge des syrischen Bürgerkrieges haben Hunderttausende im Libanon Schutz gesucht – und einige versuchen, in die EU weiterzuziehen. Wie Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Beirut erklärte, stellt die EU Ausrüstung bereit und bildet Grenzbeamte aus. Von der Leyen schlug außerdem vor, dass libanesische Behörden und die EU-Grenzagentur Frontex Informationen austauschen. Brüssel hofft, dass der Libanon so wirksamer gegen Schleuser vorgehen kann, die Migranten übers Meer bringen.

Was bringt das? Und wie schnell?

Die Flüchtlingslager in Zypern sind überfüllt. Gemessen an der Einwohnerzahl gibt es nirgendwo in der EU mehr Asylanträge. Daran dürfte sich kurzfristig wenig ändern. Bis der Libanon seinen Grenzschutz verstärkt und mehr Menschen von der Überfahrt abhält, wird es Monate dauern. Aber die EU hofft, dass die Maßnahmen auf mittlere Sicht wirken.

Ähnliche Vereinbarungen wie mit dem Libanon gibt es mit Ägypten, Tunesien und Mauretanien. Solche Abkommen mit Transit- und Herkunftsländern sind ein zentraler Pfeiler der kürzlich beschlossenen Asylreform. Die EU ist auf diese Deals angewiesen, um irreguläre Migration einzudämmen und abgelehnte Bewerberinnen und Bewerber schneller abschieben zu können.

Wie passt das zur Asylreform?

Abgelehnte Asylbewerberinnen und -bewerber sollen künftig schnell in ihre Herkunftsländer oder in von der EU als sicher eingestufte Drittstaaten zurückkehren. Oder gar nicht erst kommen. Dafür braucht es Vereinbarungen wie die mit dem Libanon.

Außerdem will die EU die Verfahren beschleunigen: Bewerberinnen und Bewerber mit geringen Chancen auf Anerkennung müssen in Schnellverfahren an den EU-Außengrenzen die Beschlüsse abwarten. Das gilt auch für Familien mit kleinen Kindern. Um Ankunftsländer wie Italien oder Griechenland zu entlasten, wird ein Solidaritätsmechanismus eingerichtet. Mitgliedsstaaten, die keine Migranten aufnehmen, müssen zahlen.

Was hat der Libanon davon?

Das ohnehin krisengeschüttelte Land wird durch den Gazakrieg zusätzlich belastet. Die schiitische Hisbollah-Miliz schießt vom Südlibanon aus Raketen auf Israel. Die EU verspricht Beirut Hilfe für die libanesische Bevölkerung in den Bereichen Bildung, Sozialschutz und Gesundheit.

Außerdem will Brüssel dem Land bei der Umsetzung von Reformen beistehen. Seit 2011 hat die EU den Libanon mit rund drei Milliarden Euro unterstützt, der Großteil der Mittel war für Maßnahmen der libanesischen Regierung vorgesehen, um Flüchtlinge aus Syrien unterzubringen.

Steht die EU geschlossen dahinter?

Die Staats- und Regierungschefs und -chefinnen der EU haben beim Gipfel Mitte April beschlossen, die Zusammenarbeit mit dem Libanon zu verstärken. Nach Angaben eines Kommissionssprechers wurden die Mitgliedsstaaten vorab über die Reise der Kommissionschefin zusammen mit dem zyprischen Präsidenten Nikos Christodoulidis nach Beirut informiert.

Im Video: Migrationsforscher Gerald Knaus

Migrationsforscher Gerald Knaus beleuchtet im BR24-Interview die Hintergründe zum Migrationsabkommen zwischen der EU und dem Libanon.
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Migrationsforscher Gerald Knaus beleuchtet im BR24-Interview die Hintergründe zum Migrationsabkommen zwischen der EU und dem Libanon.

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